Es ist seit längerem bekannt, dass Babys, die durch einen Kaiserschnitt zur Welt kommen, manchmal ein schwächeres Immunsystem aufweisen als jene, die vaginal geboren werden. Kinder, die per Schnittentbindung geboren werden, neigen erwiesenermaßen häufiger zu Krankheiten wie Asthma, Heuschnupfen, Ausschlägen und Autoimmunerkrankungen. Da diese Statistiken bei vielen werdenden Eltern für Beunruhigung sorgen, sind mit der Zeit zahlreiche Behandlungsmethoden aufgekommen, um das Mikrobiom von Kaiserschnittkindern zu stärken.
Eine der beliebtesten, aber gleichzeitig umstrittensten Methoden, ist das so genannte Vaginal-Seeding. Vielen scheint die Idee überzeugend, das Baby durch diese Behandlung gesünder zu machen. Es ist allerdings noch immer unklar, ob das Prozedere wirklich sicher ist oder nicht.
Was ist Vaginal Seeding?
Beim Vaginal Seeding, auch als Bakteriendusche bekannt, handelt es sich um ein Verfahren, bei der der Mutter vor der Entbindung Scheidenflüssigkeit entnommen, gesammelt und nach dem Kaiserschnitt mittels Wattestäbchens oder Tupfer auf Mund und Körper des Säuglings aufgetragen wird. Das Ziel dabei besteht darin, dieselben nützlichen Bakterien (Mikrobiom) auf das Kind zu übertragen, mit denen ein über die Scheide geborenes Kind in Kontakt kommen würde. Dadurch soll das Immunsystem des Babys gestärkt und Krankheiten vorgebeugt werden, für die Kaiserschnittkinder anfälliger sind. Während Vaginal Seeding in bestimmten Ländern wie Australien, den USA und Großbritannien bereits häufig eingesetzt wird, ist diese Methode hierzulande noch relativ unbekannt und wird nur in wenigen Krankenhäusern durchgeführt.
Ist diese Methode wirksam?
Da es sich beim Vaginal Seeding um eine Methode handelt, die erst vor Kurzen aufgekommen ist, sind bislang nur wenige Studien über die Frage ins Leben gerufen worden, wie positiv die langfristigen Auswirkungen für das Kind sind. Eine kleinere, im Februar 2016 durchgeführte Studie, kam jedoch zu dem Ergebnis, dass jene vier untersuchten Babys, die einem Vaginal Seeding unterzogen wurden, Mikrobiome aufwiesen, die denen von Babys ähnelten, die über den Geburtskanal auf die Welt und so in Kontakt mit der Scheidenflora der Mutter kamen. Ähnliche Studien führten zu vergleichbaren Ergebnissen. Keine davon war jedoch umfassend genug, um zu beweisen, dass Vaginal Seeding eine in den meisten Fällen erfolgversprechende Praxis ist.
Ist Vaginal Seeding das Risiko wert?
Es mag zwar völlig natürlich erscheinen, einen Säugling mit der Scheidenflüssigkeit der Mutter zu konfrontieren, und so die Vorteile einer vaginalen Geburt zu imitieren, allerdings ist das nicht so einfach. Auch wenn dieses Verfahren in den meisten Fällen planmäßig verläuft, sind die Risiken zu groß, um die Methode uneingeschränkt zu empfehlen, und sie als Standardprozedere einzuführen. Durch die Flüssigkeitsentnahme kann das Baby potentiell gefährlichen Viren ausgesetzt werden, die womöglich irreparable Schäden verursachen. Die Mutter weiß vielleicht nicht, dass sie Stämme von übertragbaren Viren oder Infektionen mit sich herumträgt, beispielsweise Herpes simplex, Streptokokken, Gonorrhöe, Chlamydien oder humanes Papillomavirus; Faktoren, sich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Säuglings negativ auswirken können. Besteht die Mutter auf einer Vaginal-Seeding-Behandlung, muss sie sich unbedingt auf alle potentiellen Krankheiten testen lassen, um sicherzustellen, dass sie ihrem Kind nichts Schädliches überträgt.
Zudem sind vielfach Theorien laut geworden, denen zufolge durch Kaiserschnitt zur Welt gekommene Kinder deswegen ein schwächeres Immunsystem aufweisen, weil der Mutter während der Geburt Antibiotika verabreicht würden. Diese Annahme stützt die Idee, dass Babys auf natürliche Weise ein starkes Mikrobiom aufbauen, auch wenn sie nicht vaginal geboren werden. Da auf beiden Seiten widersprüchliche Ansichten und Beweismangel herrschen, ist unklar, ob Vaginal Seeding risikoarm ist. Demnach kann keine uneingeschränkte Empfehlung zugunsten von Vaginal Seeding ausgesprochen werden, solange keine gründlicheren Studien vorliegen. Zudem sind die langfristigen Auswirkungen des Verfahrens noch immer unklar.
Alternativen
Um die Gesundheit und das Mikrobiom von Kaiserschnittkindern aufzubauen, gibt es weniger risikobehaftete Methoden, die angewandt werden können, wie z.B.:
- Sofortiger Hautkontakt von Mutter und Kind nach der Entbindung
- Mit dem Baden des Säuglings bis mindestens 12 Stunden nach der Geburt warten
- Das Baby mit der von zuhause mitgebrachten Kleidung anziehen
- Antibiotika, wenn möglich, vermeiden
- Stillen